Alpenquerung und Seiser Alm Tour

Vierter Tag der Alpenquerung, Donnerstag, 19.09.2024: Von Nauders nach Schlanders im Vinschgau (50 km, 660 Hm)

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Dritter Tag der Alpenquerung, Mittwoch, 18.09.2024: Von Landeck zum Reschenpass und nach Nauders (32 km, 250 Hm)

Alpenpanorama: Von Landeck aus wird weiter dem Verlauf des Inn gefolgt, an dessen westlichem Ufer die Samnaun-Gruppe aufsteigt, am östlichen Ufer wird entlang des Glockenturmkamms geradelt, der zu den Ötztaler Alpen zählt.

Samnaungruppe – westlich des Inns
Ötztaler Alpen – östlich des Inns

Schon wieder ein sommerlicher Morgen mit Aufbruch im Inntal, also dem Fluss aufwärts folgend, der sich immer wieder durch eng stehende Talflanken winden muss, aber eben auch breitere Talflächen mit Wiesen zu bieten hat. Beeindruckend auch die Querung des Inn auf mehreren Brücken. Ein besonderes hölzernes Exemplar schon gleich hinter Landeck.

Holzbrücke über den Inn hinter Landeck

Der Inn wird auch als Energiequelle genutzt. Bei Fließ quert der Radweg den Fluss an einem großen Stauwehr. Oberhalb meint man, an einem See entlang zur radeln.

Der Inn als Stausee oberhalb von Fließ

Von hier aus wird ein beträchtlicher Teil des Innwassers durch einen 12 km Tunnel bis kurz vor Imst geleitet und nach einem Höhenunterschied von 143 m dort in die Kraftwerksturbinen geführt.

Wiesenradeln im Inntal
Landstraßenradeln im Inntal
Hartmut vor indigenen Rindern und Dorfkulisse
Der Inn als Rohstofflieferant

In Prutz kehrten wir ein und saßen im schattigen Café, um das Aufladen von Karl-Heinz‘ Fotoapparat abzuwarten. Scheinbar vertrackte Probleme mit dem dunklen Display löste Gotthard durch den beiläufigen Hinweis, dass Karl-Heinz doch mal die Sonnenbrille hochklappen solle. Dies als weiteres Beispiel einer fürsorglichen Betreuung beim Rentnerradeln in der irritierenden Fremde, wo manches einfach liegen gelassen (z.B. Helmhaube) oder am falschen Ort gesucht (z.B. in der einen und nicht in der anderen Packtasche) oder vergessen (z.B. Aufladen des Bosch-Akkus) oder eben nicht ganz sachgemäß gehandhabt wurde. Und wären da nicht die Anderen hilfreich interveniert,  … Gleichwohl: Bei der morgendlichen Abfahrt saß einjede(r) tatsächlich auf seinem Fahrrad, hatte seine Packtaschen gefunden und an seinem Vehikel angebracht, war allenfalls unsicher, ob der Zimmerschlüssel noch in der Hosentasche sich verbarg oder bereits an der Rezeption abgeben war. Das sind für Ü70er geradezu ideale Startbedingungen!

Cafébesuch in Prutz

Weiter ging es dann das Inntal hinauf durch winzige Dörfer wie Ried und Tösens. Das Inntal weitet sich hier und wirkt geradezu idyllisch.

Innradweg durch Mahdwiesenlandschaft

In Pfunds erreichten wir dann einen signifikanten Entscheidungsort. Der Ortsname stammt von lat. Fundus = fruchtbarer Boden. Pfunds liegt 970 m ü NN und hat immerhin 2600 Einwohner. Als Tourismusort ist Pfunds beliebt, weil – per Skibus – von hier Zugang zu 6 Skigebieten, insbes. Samnaun und Nauders, besteht. Architektonisch interessant: eine Vielzahl gotisch geprägter Häuser mit gemauerten Außenstiegen sowie romanischen oder gotischen Torbögen.

Zufällig hatte Karl-Heinz bei irgendwelche Surf-Aktionen erfahren, dass ab dem 2. September der alte Reschenpass für Radfahrer gesperrt wird. Und so verabredeten wir, dass wir ein Shuttle-Taxi bestellen, das uns und die Fahrräder von Pfunds hinauf nach Nauders befördert.

Gotthard machte in Pfunds eine Mittagspause im sonnigen Außenbereich des Hotels Traube.

Mittagspause in der Traube von Pfunds

Ute & Harmut und ich radelten die 6 km weiter entlang des Inn zur einstmaligen Zollstation Altfinstermünz. Zunächst unterquerten wir die bekannte Kajetansbrücke, die im 19. Jh. erbaut wurde und die Trasse der Via Claudia über Altfinstermünz erübrigte.

Kajetansbrücke

Weiter ging es dann nach Altfinstermünz. Wir waren sehr beeindruckt sowohl von dem Innübergang an dieser engen Talstelle als auch von dem burgähnlichen Gebäudeensemble.

Blick auf die einstmalige Festung und Zollstation Altfinstermünz
Holzbrücke der Festung Altfinstermünz
Blick auf die Festung Altfinstermünz von flussaufwärts

Versehen mit vielen Fotos radelten wir wieder nach Pfunds zurück. Dort traf pünktlich der Sprinter ein, das SFL-Taxi, der Fahrer lud unsere Räder sorgfältig in den Heckbereich, wir stiegen ein und fuhren dann, welch eine Überraschung, nach Martina, d. h. den Inn hinauf und vorbei an Altfinstermünz bis an die Schweizer Grenze nach Martina. Aber mit dem Rad waren wir zuvor viel schneller unterwegs, denn auf dieser Straße gab es zwei Baustellen mit Ampelwechselschaltung, jedweder Reschenpassverkehr musste hier durch, weil, ja weil die Reschenpass-Bundesstraße voll gesperrt ist. Also geht der gesamten Fernverkehr über die alte Reschenpassstraße hinauf zur Norbertshöhe, also 11 Serpentinen im Kolonnenmodus. Radverkehr auf dieser ansonsten nur von Radlern genutzten Passstraße verboten. So verblieb unsere Alpenquerung ohne jene Hochleistung: auf 6 km sind 400 Hm zu überwinden.

Wir saßen stattdessen fast eine Stunde im bequemen Minibus und kamen eher langsam voran. Mit den Rädern hätten wir diese Route unter diesen extremen Verkehrsverhältnisse aber kaum bewältigen können und schon gar nicht wollen. So lieferte uns das Shuttle gegen 15 Uhr im sonnigen Nauders ab.

Wir nahmen noch Kaffee und Kuchen im Café und bezogen dann unser Quartier in der Pension Tirol.

Blick aus dem Pensionsfenster nach Nordwesten über Nauders

Das Abendessen mit Spinatknödeln gab es beim Niklas, dazu trockenen Muskateller, der mich an meine Studienerfahrungen vor über fünfzig Jahren in Freiburg erinnerte.

Zweiter Tag der Alpenquerung, Dienstag, 17.09.2024: Von Ehrwald über den Fernpass nach Landeck am Inn (60 km, 650 Hm)

Vom Frühstücksraum schauten wir auf ein regen- und nebelverhanges Tal: wo bleibt die Sonne? Also starteten wir nochmals mit Regenbekleidung – in Richtung Fernpass, also von Ehrwald das hier weite Tal der Loisach hinauf. Die Wiesenwirtschaft hat die Moorflächen abgelöst und das trocken gelegte Tal zu einer lieblichen Landschaft umgestaltet, wenn man von der kanalisierten Führung des Flüsschens absieht und hofft, dass die CO2-Emmissionen der Torfreste gering bleiben, weil dieser kaum Luftzugang hat.

Unsere Zimmerwirtin freute sich, dass der viele Regen hier zum guten Teil als Schnee an den Hängen liegt, denn andernfalls hätte die Loisach zuviel Wasser aufnehmen müssen und es hätte Überschwemmungen gegeben – die Mähwiesen stünden dann unter Flusswasser.

Blick über Ehrwald auf das Loisachtal – bei Regen

Also radelten wir in das nebelverhangene und leicht verregnete Tal der Loisach hinein und hatten den Eindruck, dass die günstige Wettervorhersage ihr Versprechen bald schon einlösen könnte.

Durch die anmoorigen Wiesen des breiten Loisachstals südlich von Ehrwald

Und so verlief auch die nachfolgende Stunde mit dem Anstieg hinter Biberwier hinauf auf den Fernpass. Das Loisachtal muss dort verlassen werden, um die Passhöhe zu erreichen. Und das bedeutet für die Radler, dass sie eine schottrige Piste hinauffahren müssen, mit Steigungen zwischen 6 und 12 %.

Hinter Biberwier: stetig hinauf zum Fernpass

Etwas unterhalb der Passhöhe war es dann soweit: die Sonne brach durch die Wolken, der Regen hatte schon aufgehört und nach diesem kalten und nassen Wetter setzte ganz übergangslos der Spätsommer ein. Wir begrüßten ihn mit Blick auf die schneebedeckten Berge jenseits des Tals, d. h. mit Blick auf die Lechtaler Alpen.

Am meistfotografierten Aussichtspunkt kurz vor der Passhöhe legten wir natürlich auch eine kleine Pause ein. Der Blick hinunter ist schon beeindruckend; dort windet sich die vielbefahrene Bundesstraße zur Passhöhe hinauf.

Hier die Vorlage für das Caspar David Friedrichs bislang noch unentdecktes Bild „Fernpass: Drei Männer blicken hinab“

Auf der Passhöhe liegt die Burg Fernstein, deren Bauteile aus mehreren Jahrhunderten stammen. Die Burg diente nach Verlegung der Handelsstraße aus dem Tal auf eine Trasse unterhalb der Burg, an der eine Zollstelle errichtet wurde (Klausenhaus) als Zollstation, welche später aber auf die Höhe des Fernpasses verlegt wurde. Seit mehreren Jhn wechselten die Besitzer der Burg; letzter ist seit 1960 der Inhaber des Schlosshotels Fernsteinsee, der Bauteile des Schlosses als Teil seines Hotels herrichten ließ. Auf der Insel im Fernsteinsee finden sich die Reste der im 15. Jh. erbauten Sigmundsburg. Der See ist ein beliebtes Ziel von Sporttauchern.

Radweg durch die Burgruine Fernstein
Burgruine Fernstein

Nach Querung der Bundesstraße führt die Radroute zur Kapelle der 14 Nothelfer, deren Anrufung vor recht partikularen, keineswegs die Gesamtheit der menschlichen Elendsverhältnisse abdeckenden Nöten schützen soll.

Kappelle der 14 Nothelfer mit Schneebrocken

Wir radelten noch hinab zum Fernsteinsee, der unterhalb der Autobrücke sehr idyllisch gelegen ist und sich in Privatbesitz befindet. Radler sind hier unerwünscht; zahlungskräftige Taucher hingegen sehr.

Blick über den Fernsteinsee

Dann folgte die vielleicht spektakulärste Abfahrt den Fernpass hinunter. Zunächst muss eine Holzplankengalerie genutzt werden. Schon zuvor ermahnen Warnschilder zum Schieben des Rades, denn der Weg ist sehr schmal und hinter der Galerie auch sehr steil.

Holzgalerie an der Fernpassabfahrt
Felsüberhänge an der Fernpassabfahrt

Zum Glück ist die Via Claudia Augusta – jedenfalls zwischen Ehrwald und Imst – eher eine Einbahnstraße. Es kamen uns nur wenige Radler entgegen, und die haben eine deutlich schwierigere Route zu bewältigen mit starken Steigungen und gerölligem Untergrund. Diese Passagen konnten wir bergab bewältigen, mit Gepäck, vorsichtig bremsend.

Wagenspuren spätmittelalterlicher Herkunft an der Fernpassabfahrt

Der nach dem Regen pastellfarbene (wegen der mitgeschwemmten Sedimente) Gurgelbach begleitet die Route durch das späterhin geradezu idyllische Tal bis nach Imst. Im oberen Abschnitt ist der Bach ein recht wilder Geselle, der sich wohl auch gelegentlich mit Geröllablagerung auf den Radweg ausdehnt.

Am oberen Gurglbach hinter der Fernpassabfahrt

Nassereith war einstmals eine Bergbausiedlung. An den nordöstlich des Dorfes gelegenen Felswänden finden sich noch heute Mundlöcher (Stolleneingänge). Am südlichen Dorfende schließt sich die Siedlung Dormitz an, die für die Wallfahrtskirche Zum Heiligen Nikolaus bekannt ist.

Leider wird der Radweg von Nassereith bis Tarrenz am Talrand durch die Fichten- und Kiefernwälder geführt und nicht durch die weiten Wiesen des Talgrundes, auf denen kleine Heuschober stehen, was ein sehr schönes Bild gibt. Da wir dort „unten“ ab und an Fußgänger sahen, gibt es wohl auch einen Wiesenweg. Mag sein, dass die Radler mittlerweile auch auf „Umgehungswege“ geführt werden, um die Wanderer von ihnen zu verschonen. Wir querten eine Zählstelle und konnten dort ablesen, dass es in diesem Jahr sicherlich auch wieder 100.000 (!) Radler sein werden, die diese Route nehmen. Und wenn diese mobilen Gäste nur zwischen Mai und Oktober unterwegs wären, dann wären es ca. 12.500 Radler pro Monat im Durchschnitt, in den Sommermonaten wie diesem September aber eher 25.000, was ca. 800 Radler pro Tag ergäbe. Gesehen haben wir diese große Anzahl nicht, eher im Gegenteil: Es herrschte kein Hochbetrieb auf der Route. Ab und an überholten uns junge Männer auf  sehr schnellen Gravelbikes mit wenig Gepäck und gelegentlich sahen wir unseresgleichen auf E-Bikes mit eher vier als zwei Satteltaschen.

Tarrenz war früher gleichfalls ein Bergbauort. Heute werden in dem Freilichtmuseum „Knappenwelt Gurgltal“ einige Aspekte der Arbeits- und Lebenswelt von damals gezeigt.

Hinter Tarrenz verläuft die Route durch die Wiesen, auf denen allenfalls mal ein paar Schafe als Weidetiere gehalten werden. Hier wie auch im Allgäu wird kaum Weidewirtschaft betrieben, sondern Wiesenmahd. Die Milchkühe stehen ganzjährig im oftmals kleinen Stall. Große Laufställe sind kaum zu sehen, und das Milchvieh wird im Stall mit dem Heu versorgt. Wenn das Vieh noch angebunden wird, lautet dessen Lebensmotto: Fressen, Saufen, Liegen. Auf unseren Milchpackungen nennt sich auch das „Heumilch“, sicherlich von ökologisch besser versorgten Kühen stammend, Haltungsform eher elendig.

Wiesenradweg hinter Nassereith
Blick zurück, hinauf in das Gurgeltal
Flotte Abfahrt durch die Gurgltalwiesen
Blick auf die östlich gelegenen Ötztaler Alpen aus dem Gurgltal

Imst liegt auf ca. 820 m NHN und wirkt wie ein Straßendorf, das kein rechtes Zentrum hat. Wir fanden schließlich ein Café und hätten in voller Mittagssonne draußen sitzen können, aber es fehlten die schattenspendenden Schirme. Ja, wir waren wieder im Sommer unterwegs.

Im 15. u. 16. Jh. war Imst eine Bergbaustadt. Eine künstlerische Attraktion stellen die vielen Brunnen dar. Im 17. u. 18. Jh. handelten Singvögelzüchter der Stadt in ganz Europa mit ihren Sängern, wozu Carl Zeller die Operette „Der Vogelhändler“ (1875) schrieb. Schon 1933 ernannte – als erste Tiroler Stadt – Imst den Österreicher Adolf Hitler zum Ehrenbürger, was erst in den 1990er Jahren widerrufen wurde. 1949 gründete Hermann Gmeiner in Imst (Bronze-Denkmal) das erste SOS-Kinderdorf als Sorgeeinrichtung für Kriegswaisen und heimatlose Kinder.

Hinter Imst muss durch weitläufige Industrieareale geradelt werden. Dabei kann die hochtechnisierte Holzindustrie bestaunt werden. Und so gelangt man an den Inn und dessen begleitende Autobahn. Das Inntal ist in dieser Region eng und zwingt die fünf Verkehrswege in enge Nachbarschaft: den Radweg, die tw. zweigleisige Bahntrasse (Arlbergbahn von Innsbruck nach Bludenz und Lindau), die Autobahn und Landstraße sowie den Fluss, der aber „nur“ Geröll und Sediment transportiert, aber davon (derzeit) reichlich.

Inntalradweg neben Inntalautobahn mit Galerieüberdachung einer Fahrbahn

Der Inn zählt zu den Flüssen, die die Alpen in Kammrichtung, d. h. von West nach Ost (bzw. umgekehrt) durchziehen. Weitere Alpenlängstäler durchfließen die obere Rhone, der Oberrhein, die Etsch (im Vinschgau), die Drau, die Salzach, die obere Enns sowie die obere Mur und deren Zufluss, die Mürz.

Blick auf den Inn und die Schotterbänke am Gleithang

Alpenpanorama: Imst liegt (fast) im Oberinntal, das vom Schweizer Engadin bis Innsbruck reicht. Dieses Tal trennt die Nördlichen Kalkalpen von den südlichen Zentralalpen. Nordwestlich folgt die Route – auch weiterhin – den Lechtaler Alpen, im Südwesten ragen die Ötztaler Alpen auf.

Die letzte Etappe führte auf Landeck zu, das zusammen mit Zams ein recht großes Siedlungsgebiet hat. Hier querten wir zunächst die Sanna, die als reisender Nebenfluss in den etwas mageren Inn strömt. Die Bahnstrecke führt in das Sannatal hinein in Richtung Arlbergtunnel. Das Inntal verbleibt ohne Bahntrasse und wird immer wieder sehr schmal mit wenig Raum für die Verkehrswege.

Unser Quartier in Landeck lag oberhalb der Fußgängerzone und bot eine ruhige Nacht in dieser Stadt, die vom touristischen Massendurchgangsverkehr nicht mehr behelligt wird, seit dem der Tunnel nach Fließ in Betrieb genommen worden ist.

Ute & Hartmut vor Riese & Müller (2x) und Gasthof Greif in Landeck

Erster Tag der Alpenquerung, Montag, 16.09.2024: Von Memmingen über Oy nach Füssen und weiter nach Ehrwald (40 km, 510 Hm)

Am Vortag (Sonntag, 15.09.2024) begann unsere Anreise. Warum? Weil der Langstrecken IC Hamburg-Berchtesgaden recht kurzfristig einfach abgesagt wurde, ohne Ersatzverbindung, für über eine Woche – und weil vier Fahrradstellplätze in den alternativen ICE-Verbindungen nach Augsburg oder München längst nicht mehr zu bekommen waren. Da half letztlich nur die Erweiterung des Suchraums für den Zielbahnhof und der Wechsel auf die wenig beliebte frühe Abfahrtzeit und die Vorverlegung auf Sonntag. Gleichwohl: So hatten wir Gelegenheit, der eindrucksvollen alten Stadt Memmingen einen Besuch abzustatten und dann am Folgetag von Oy-Mittenberg bis Füssen auf Teilstrecken der Allgäuer Radrunde durch die stark hügelige Wiesenwirtschaft des östlichen (bayrischen) Allgäus zu radeln.

Es war kaum zu glauben, aber tatsächlich so geschehen: uns beförderte die Bahn fast pünktlich und ohne Überfüllung mit vier Fahrradstellplätzen von Hildesheim nach Stuttgart, ließ uns auf diesem elenden Restkopbahnhof zwar rasch, aber hinreichend schnell die Bahnsteige in einem Strom von Reisenden wechseln, gleich in den nächsten ICE nach Ulm, dort allerdings mühevoll mit den Aufzügen hinauf auf die „neue“ Bahnsteigbrücke und hinunter in den wartenden RE nach Memmingen, der auch für uns mit Rädern noch genug Platz bot, aber bei Abfahrt voll besetzt war. Etwas müde trafen wir gegen 15 Uhr in der schönen Stadt Memmingen ein.

Unser Hotel ist das Drexler, mitten in der Altstadt gelegen, in der heute der Altstadtlauf stattfand. Dieses Volksfest, das mich sehr an den Wedekind-Lauf in Hildesheim erinnerte, querten wir am Marktplatz. Ute hatte herausgefunden, dass die „Lauschtour“-App eine Stadtführung bietet, und dieser folgten wir, was sehr interessant war.

So gab es also innerhalb der Stadtmauern einiges zu bestaunen, insbesondere aber den einstmaligen Wohlstand dieser Freien Reichsstadt, die das Monopol für den Salzhandel mit der Schweiz hatte und die Lieferung von der Saline in Reichenhall dorthin organisierte.

Antonier-Haus, ein mittelalterliches Krankenhaus mit Spezialabteilung für die schweren Folgeerkrankungen von Mutterkornverzehr
Memmingen, die Stadt der frühen Demokratie-Bewegung: Ausstellung zu den 12 Artikeln der Bauernbewegung von 1525
Entlang des Stadtbachs in Memmingen
Das Einhorn vor der Frauenkirche
Theater von Memmingen
Salzstadel – Lagerhaus der einstmaligen reichen Salzhandelstadt
Hexenturm an der Stadtmauer mit winzigem, einstmaligen Wohnhaus
Rathaus am Markt

Einkehr zum Abendessen in die Blaue Traube. Erstaunlicherweise haben in der attraktiven Touristenstadt Memmingen viele Cafés am Sonntagnachmittag geschlossen. Schließlich fanden wir einen dicht besetzten Italiener, wo wir nicht nur guten Kaffee bekamen, sondern auch uns etwas aufwärmen konnten, denn es war zwar sonnig, aber kühl.

Auf dem Abschluss unser Lauschtour schauten wir uns zwei Gaststätten an, entschieden uns für die Blaue Traube und aßen gut dort an einem Tisch, dem immer wieder neue Gäste hinzugefügt wurden.

In der Blauen Traube

Wir alle haben die Wetternachrichten zur Kenntnis genommen. Am Montag soll es viel regnen, auch in der Region um Füssen, aber wohl längst nicht so katastrophal viel wie im östlichen Österreich und in Tschechien, wo Hochwasserkatastrophen drohen, auch in Polen. Ab Dienstag dann wieder Sommerwetter auf unserer Route. Hartmut schickte ein Web-Cam-Foto herum, das die Seiser Alm mit Schneebedeckung zeigt. Dort soll unsere Alpenquerung in einer Woche endigen …

Am Montag begann unsere Alpenquerung beim Frühstück im Memminger Hotel mit einer ernsten Befragung der Wetter-Apps, die allesamt die gleiche Meinung vertraten: Dauerregen bei kühlen Temperaturen, bis Dienstagvormittag. So beschlossen wir, die Bahnverbindung nach Füssen zu nehmen und auf die 35 km zu verzichten, die wir von Oy nach Füssen auf dem schönen Rundkurs Allgäu radeln wollten.

Diese Planänderung ermöglichte zugleich, einige Ausstattungsdefizite im Vaude-Shop Memmingens auszugleichen: Winterhandschuhe, Helmhaube und Gamaschen mussten tw. mehrfach zugekauft werden, um den Anforderung der og. Witterung standhalten zu können.

Ausrüstungsergänzung am Morgen in Memmingen

Beim Umsteigen in Buchloe machten wir die Bekanntschaft mit einem Gravelbike-Radler aus Künzelsau, der uns ausführlich sein 13 kg leichtes E-Bike (!) vorstellte und seine extrem reduzierte Packmenge. Ja, wenn wir vierzig Jahre jünger wären, dann …

In Füssen fanden wir ein schönes Café und bereiteten uns auf das vor, was draußen noch immer stattfand. Also: alles, was Regen abhält, wurde angezogen und dann ging’s hinaus aus der eindrucksvollen Altstadt, vorbei an den Lechfällen, die den Durchbruch des Flusses durch den Alpenkamm markieren, und dann hinein in die Talauen des oberen Lechtals.

Lechfälle bei Füssen – bei besserem Wetter

Die Wegführung ist hier angenehm, meist abseits der vielbefahrenen Bundesstraße, oft durch die grünen Mähwiesen geführt. Östlich erheben sich die Geierköpfe der Ammergauer Alpen, die die Route bis hinter Reutte begleiten. Westlich blickt man auf die Gipfel der sog. Tannheimer Gruppe, die zu den Allgäuer Alpen zählen und die Route bis Ehrwald begleiten. Leider war der Blick auf die Gipfel kaum möglich, denn die Regenwolken legten ihren Schleier darüber.

Durch Oberpinswang führt die Route in Richtung Reutte und zuvor durch eine Kette von Dörfern: Unterletzen, Pflach (Blick auf die denkmalgeschützte Bahnbrücke über den Lech) und Huttenbichl.

Reutte (853 m ü. A. (über Adria)) ist eine Marktgemeinde mit ca. 7000 Einwohnern und hat eine Bahnanbindung nach Kempten bzw. in der Gegenrichtung über Ehrwald nach Garmisch-Partenkirchen und weiter nach München. Fassadenmalereien zieren etliche Häuser der Altstadt, die eine sehr schön gestaltete Fußgängerzone hat, welche wir ohne Publikum an diesem Regentag konfliktlos durchradeln konnten. – Einstmals gab es in diesem Ort einen bedeutenden Salzhandel statt (Salzstraße von Hall in Tirol nach Bayern); heute erinnern daran der Salzstadel sowie das Grüne Haus (Museum). Zudem ist hier der Via Claudia Augusta Brunnen zu bestaunen.

Cafés in Reuttes Fußgängerzone – bei besserem Wetter

Hinter Reutte verlässt die Route das Lechtal und steigt hinauf zu einem Bergsattel und folgt damit dem Katzenbichlbach.

Anstieg hinter Reutte – bei besserem Wetter

Oberhalb (nördlich) von Heiterwang trifft die Route auf den Grundbach, der als Zufluss den Heitersee und jener den Plansee speist, der nach Reutte abfließt und von einem Speicherkraftwerk genutzt wird. Der Moosbach kommt abwärts aus dem Tal von Nordosten, entspringt in den Ammergauer Alpen und mündet bei Bichlbach in den Grundbach. Erst in Lähn wird die Wasserscheide überquert; hier wird der Scheitelpunkt dieses kleinen Passes erreicht und hier beginnt die Abfahrt hinunter nach Leermoos und weiter nach Ehrwald. Der Lussbach kommt von der anderen, der südlichen Talseite und damit von den Lechtaler Alpen herunter nach Lähn und mündet bei Ehrwald in die Loisach.

Alpenpanorama: Im Osten erheben sich die Ammergauer Alpen. Im Westen begleiten weiterhin die Lechtaler Alpen die Route.

Alpenpanorama nordöstlich zwischen Füssen und Ehrwald: Ammergauer Alpen
Alpenpanorama westlich zwischen Ehrwald und Landeck: Lechtaler Alpen
Alpenpanorama zwischen Ehrwald und Imst: Mieminger Kette

Von Reutte aufwärts radelnd wird in diesem recht schmalen Tal die Burgenwelt Ehrenberg erreicht, ein touristisches Highligt, heute aber ohne nennenswerte Besucher. Die Ruine Ehrenberg ist wohl deren bekanntestes Bauwerk, eine gotische Festungsburg, datiert auf 1296. Weiter oberhalb ist Ende des 18. Jhs eine „moderne“ Festungsanlage errichtet worden, die aber bald schon verfiel und heute als „Schlosskopf“ bezeichnet wird. Auf dem gegenüberliegenden Bergrücken ist im 17. Jh. eine ergänzende Festungsanlage gebaut worden, deren Reste „Fort Claudia“ genannt werden. Den Taldurchgang versperrte die Festung Klause, die auch als Zollstation diente. Heute ist hier ein Besucherzentrum eingerichtet.

Festung Ehrenberg: vor dem Schrägaufzug zur Hängebrücke

Das Tal wird auf Höhe der Burg Ehrenberg von der Highline 179 überspannt, einer Fußgängerhängebrücke von ca. 400 m Länge, die ca. 110 m über dem Talgrund und damit dem Grundbach verläuft, einen 1,2 m breiten Gehweg hat und in beiden Richtungen begehbar ist. Ein Schrägaufzug bringt die Touristen zum Eingangsbereich auf der Westseite des Tales; ein anschließender Schrägaufzug führt dann hinauf zum Schlosskopf. Diese Hängebrücke fände durchaus Interesse bei Ute & Hartmut und wohl auch bei Gotthard, die bereits deren Schwesterstück an der Rapp-Bode-Talsperre ausprobiert haben, Ute sogar im Gleitschlitten!

Unter der Hängebrücke

Beim weiteren Routenanstieg wird zunächst Heiterwang erreicht, das eine spätmittelalterliche Ortsdurchfahrt besitzt. Weiter geht es durch Bichlbach und Wengle. Die Wegstrecke ist mal asphaltiert, aber auch mal feinschottrig. Es gibt sogar zwei Passage von Bächen, die ihr Geröll auf dem Radweg ablagern und die mit seichten Furten überquert werden müssen.

Die Wegstrecke von Reutte nach Ehrwald führt also über mehrere kleine Pässe und hat deshalb einige Steigungen zu bieten und einen kuriosen Gewässerverlauf: Weder fließen die Bäche im mittleren Streckenabschnitt zurück nach Reutte noch voraus nach Lermoos, sondern bei Heiterwang treffen sich die Bäche und münden in den nordwestlich, also in einem Nebental gelegenen Heiterwanger See, der dann in den Plansee abfließt und dieser entwässert nach Reutte in das tief unten liegende Turbinenwerk.

Das Wetter blieb, wie es am Morgen begann: Es regnete unaufhörlich. Allerdings hatten wir auf der Höhe von 1000 m nur noch 6 Grad und könnten ca. 200 m höher auf die Schneegrenzen schauen.

In den Moorwiesen vor Ehrwald mit Blick auf die schneebedeckten Hänge

Bei Lermoos wird das Loisachtal erreicht, auf dessen gegenüberliegender Seite sich Ehrwald befindet. In Ehrwald geht die Kabinenbahn hinauf auf die Zugspitze, der österreichische Zugang ist dies. Von Garmisch-Partenkirchen aus fährt die deutsche Zugspitzbahn hinauf auf den höchsten Gipfel der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Lermoos und Ehrwald erstreckt sich ein weitläufiges Moorgebiet, das jedoch trockengelegt worden ist. Der Radweg durchquert über eine asphaltierte Trasse die Wiesenlandschaft, die tw. renaturiert wird.

Lermoos (links) und Ehrwald (rechts), dazwischen das Moorgebiet mit der kanalisierte Loisach, im Hintergrund das Wettersteinmassiv mit Zugspitze

In Ehrwald fanden wir bei der älteren und mit ihrem Tiroler Dialekt nur schwer verstehbaren Frau Tschafeller (Pension Adlerhorst) eine nette und praktische Unterkunft, insbesondere mit Trockungsraum für unsere regennasse Bekleidung. Und beim Italiener Al Castagno wurden wir mit guter Küche versorgt.

Beim Italiener in Ehrwald

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Siebter Tag der Alpenquerung, Sonntag, 22.09.2024: Seiser Alm Panorama Tour (St. Ulrich Kabinenbahn, Compatsch, Tierser Alp, Saltria, St. Ulrich)

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Sechster Tag der Alpenquerung, Samstag, 21.09.2024: durch das Val Duron hinauf zur Seiser Alm und über St. Christina zurück nach St. Ulrich

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Fünfter Tag der Alpenquerung, Freitag, 20.09.2024: Von Schlanders nach Bozen und weiter nach Waidbruck und von dort nach St. Ulrich

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Vierter Tag der Alpenquerung, Donnerstag, 19.09.2024: Von Nauders nach Schlanders im Vinschgau

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Zweiter Tag der Alpenquerung, Dienstag, 17.09.2024: Von Ehrwald über den Fernpass nach Landeck am Inn

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